Von Marciana Marina aus hast du einen herrlichen Blick zum Monte Capanne, dem höchsten Berg auf der Insel Elba – siehe Bildmitte. Alternativ kannst du gerne auch die Aussicht vom Gipfel genießen, aber dann musst du wohl 3 Stunden lang gut zu Fuß sein oder einfacher einen der schwebenden Käfige benutzen. Vom Bergdorf Marciana aus führt nämlich eine windige alte Seilbahn namens Cabinovia bis knapp unter die Spitze. Noch ein paar Schritte höher und schon stehst du dann ganz oben bei den Sendertürmen und magst die Rundumsicht hinaus in den Toskanischen Archipel bewundern – in der Ferne von Nordost bis Ost das italienische Festland mit Piombino, Marina di Scarlino und Punta Ala, südöstlich und südlich die Inseln Giglio, Montecristo und Pianosa, im Westen das obere Korsika und nordwestlich das Ziegen-Eiland Capraia. Bei meinem dritten Besuch im Revier ist das Bergerlebnis nun endlich gelungen, denn die ersten beiden Male machte das Wetter uns einen Strich durch die Pläne und auch diesmal müssen wir den nächsten Tag abwarten und danach sind uns auch nur ein paar Blicke gegönnt, bis uns schnell wieder eine Wolke einhüllt und die Sicht nach unten raubt. Na ja, dann werden wir uns die Gegend doch wohl eher von unten ansehen, schließlich machen wir ja gerade einen Segeltörn und ein solcher findet bekanntlich nicht in luftigen Höhen statt – mehr zu ebener Erd‘ oder besser am hoffentlich weiterhin flachen Wasser.

Jetzt aber vom Anfang an:
Alle Vorbereitungen sind erledigt, das Gepäck im Reisebus verstaut, die Teilnehmer eingestiegen, Abfahrt in Braunau am Inn, Zustieg weiterer Segler in Salzburg und auch noch an der Autobahn südlicher bei Glanegg. Kurz vorher touchiert uns, den Vorrang missachtend, ein Wohnwagengespann bei der Einmündung vom Walserberg her seitlich und verpasst dem Bus ein paar Kratzer. Das fängt ja gut an und geht zum Glück auch gut aus, weil hinter uns die Polizei fährt und den ohne Stopp davoneilenden Verkehrsteilnehmer bei der Ausfahrt Hallein abfängt. Eine halbe Stunde später sind wir wieder auf Achse und dösen durch die Nacht – ausgenommen unser Fahrer. Es ist Samstag, der 10. Mai 2025 und die Küste der Toskana rückt stetig näher.


MARINA DI SCARLINO
ist unser Ziel. Insgesamt reisen bis zum Nachmittag 68 Personen für 9 Yachten an, manche davon mit Privat-PKWs. Die Veranstaltung nennt sich YCBS-Cup 2025 und steht unter der Organisation vom Yachtclub Braunau-Simbach. Bei diesem jährlichen Frühjahrs-Wochentörn wird im Teil 1 je Crew eine individuelle Route erkundet und erst am Mittwoch laufen die Wege wieder zusammen, um dann noch einen gemeinsamen Part zu absolvieren.

Noch ist es aber nicht so weit, erst müssen die Schiffe übernommen werden. Wie schon fast üblich gibt es dabei kleinere und manchmal größere Beanstandungen und bis alles kontrolliert ist, da vergeht schon einige Zeit. Für unsere Oceanis 45 mit dem Namen der kühlen weiblichen Eisheiligen – die genau diese Woche im Kalender steht – ist ein in der Sizilianischen Hauptstadt sesshafter Vercharterer mit seinem Stützpunkt in der Marina di Scarlino zuständig. Dass die Instrumente nicht richtig funktionieren, ist nicht sehr schön, aber dass die Gasleitung hinter dem Herd lose herabhängt und dies durch den Geruch gerade nach rechtzeitig bemerkt wird, bevor die Bude beim Zündversuch höchstwahrscheinliche in die Luft geflogen wäre, das geht schon über grob fahrlässig weit hinaus. Unsere Crew bekommt also ziemlich spät erst ihren fahrbaren Untersatz zur Verfügung, aber am Sonntag ab 11 Uhr sind wir fahrbereit und alles scheint nun gut zu sein.

PORTOFERRAIO auf Elba ist heute unser Tagesziel. Draußen im Golfo di Follonica erwartet uns schon wunderbarer Segelwind, welchen wir gleich für ein paar Testmanöver nutzen. Die ganz neuen Segel stehen herrlich und versprechen flottes Vorwärtskommen. Mit schönem Speed wächst uns die kleine Insel Cerboli rasch näher. Schließlich runden wir den mächtigen Felsklotz und nehmen auf das etwas größere Palmaiola Kurs auf. Eigentlich wollten wir dort für eine Mittagspause den Anker in die Bucht werfen, wo schon einige Boote rasten, aber die späte Abfahrt aus der Marina veranlasst uns nach einem Halbbogen im Westen herum zur Weiterfahrt zum Capo della Vita, also zur Nordostecke der Insel Elba. Da der Gasherd nun ja angeschlossen ist, kann unterwegs gekocht werden. Bald sitzen wir alle bei Spaghetti aglio e olio im Cockpit und lassen es uns schnell schmecken, bevor der Wind die Wärme aus den Nudeln bläst. Nach dem „Kap des Lebens“ biegen wir nach Südwesten ab und damit hin zum Tagesziel. Fünf Meilen später liegt um die Ecke Elbas Hauptstadt. Ein Funkspruch geht zur Darsena Medicea und nach der Rundung der Punta del Torrione eröffnet sich ein breiter Blick auf Portoferraio. Ein Schlauchbootfahrer weist uns einen Platz zu und kurz nach 16 Uhr hängt die Oceanis fest zwischen Moorings und Heckleinen am Nordwestkai.

Portoferraio gibt sich sonnig heiß bei unserem späteren Streifzug durch die Stadt. Recht lebhaft geht es vorne am Hafen zu, aber weiter hinten wird es ruhiger. Die oberen Highlights wie die Festungen Falcone und Stella bzw. die Villa dei Mulini, wo Napoleon bei seinem Exilaufenthalt 1814/1815 residierte, bleiben dem kühleren nächsten Morgen vorbehalten.

Es ist Sonntag und Muttertag. Unsere vier Crewfrauen sind alle Mütter, nicht unsere, aber wir Männer laden sie trotzdem zum Abendessen ein. Nach etwas Suche findet unser Josef eine passende Lokalität mit der Osteria Pepe Nero, wo wir die mittägigen Nudelmägen mit allerlei Spezialitäten der Elba-Küche nachverwöhnen. Wir sind also vier Paare gemischten Alters mit insgesamt reichlich maritimer Erlebniswelt in der Vergangenheit – Frischlinge sehen anders aus. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Ob der goldgelb gewöhnungsbedürftige autochthone Fermentino der Grund dafür ist, darüber schweigt der Autor.

Der Montag bringt zur Morgenroutine mit Dusche im Keller des Municipio, also beim Bürgermeisters von Portoferraio, eine schon wieder schweißtreibende Wanderung zu den vorhin erwähnten wehrhaften historischen Gebäuden weiter oben und von dort einen beachtlichen Ausblick über den „Eisenhafen“, welchen wir um 10 Uhr bereits verlassen. Unser Ziel liegt nun etwas westlicher, aber nur zehn Meilen entfernt. Völlig stressfrei kurven wir vorerst aus der Rada di Portoferraio mit Blick auf den Leuchtturm und die mächtigen beiden Festungen. Groß und Genua ziehen uns gemächlich und beinahe lautlos durch die sanfte Welle  – Delphine kommen heran und spielen um unseren Bug. Zahlreiche weitere Segelschiffe nützen hier im Norden von Elba das gerade traumhaft angenehme Revier. Gegen Mittag hin schläft der Wind ein. Wir legen eine Zipfer-Bierpause ein und starten danach den Motor für die Einfahrt in den nächsten Ort.

MARCIANA MARINA – ein netter Parkplatz am Schwimmsteg heißt uns willkommen. Nach einer Versorgungsrast bekommen wir ungewollt plötzlich viel Zeit, denn Wolken sind über den Himmel gezogen und machen unseren Plan einer Auffahrt zum Monte Capanne für heute nicht mehr sehr wahrscheinlich.

Denn freien Nachmittag nutzen wir für einen Spaziergang durch den schmucken Küstenort mit seinen zahlreichen Lokalen samt Gastgärten am Ufer und rasten da und dort. Zugleich reserviert ein Crewmitglied – schon wieder der Josef – für das Abendessen in einem einladenden Ristorante acht Plätze. Warum? Hier will Peppino, das Kücken in der Crew, sein vor Kurzem abgeschlossenes halbes Jahrhundert mit uns nachfeiern, was ihm später auch erfolgreich gelingt und einiges kostet. Den überreichten Austrian Empire Navy Rum spendet er zudem danach großzügig als Manöverschluck.

Heute Dienstag schaut es recht gut aus für die Visite auf dem Monte Capanne. Ein paar noch vorhandene Wolkenfetzen sollten sich laut Prognose auch noch verziehen. Ein Kleinbustaxi ist schon bestellt und nach Einstieg und zahlreichen Kurven steigen wir unter dem Bergdorf Marciana – manchmal auch mit der Ergänzung alta – bei der Seilbahnstation aus. Ein paar Schritte noch und ein Getränk, dann startet um 10 Uhr das nostalgische Transportmittel. Je zu zweit in einem Gitterkäfig stehend schweben wir nun hoch durch das botanische Frühlingselba, hindurch zwischen Maronibäumen und blühenden Mannaeschen, mit sich langsam weitenden Blick über die sich an den Hang schmiegenden alten Häuser bis hinunter zum azurblauen Meer. Den weiteren Verlauf der Bergtour kennst du schon vom Einstieg in diesem Bericht. Zurück bei der Talstation wartet schon das Taxi und unten in der Marina auch unsere Oceanis am Steg. Bald nach Mittag verlassen wir Marciana Marina und segeln an der restlichen Nord- und dann an der Westküste entlang hinunter in den Süden von Elba.

Mit weit geöffneten Flügeln gleiten wir dort dahin und der gute Monte Capanne schaut uns dabei lächelnd zu, so als ob er sagen möchte: „Kommt herauf, jetzt wär ich gerade wieder frei!“. Die Sonnenseite der Insel zeigt sich ebenfalls herrlich grün bis hinauf zu den Gipfeln und lädt zum Wandern ein, aber für uns sind die Berge abgehakt. Mit einem Campari Orange im Cockpit zu sitzen ist zweifellos gemütlicher. Entlang der drei großen Küsteneinbuchtungen Golfo di Campo, Golfo della Lacona und Golfo Stella ziehen wir nach Osten, bis uns die Halbinsel Calamita die Weiterfahrt versperrt.

CALA MORCONE heißt hier die kuschelige Kleinbucht – da graben wir unseren Anker in den sandigen Meeresboden und lassen in der späten Nachmittagssonne die Seele baumeln. Von einem Nachbarschiff, eines aus unserer Gruppe, kommt Besuch zu uns herüber und bei ein paar Drinks tauschen wir unsere Erlebnisse aus. Mit kochen, essen, abwaschen, spielen und plaudern klingt ein lauschiger Buchtenabend aus und wechselt hinüber in eine ruhige Nacht. Während alle erholsam in den Kabinen schlafen und die Sterne am Himmel funkeln, da darf der Plotter wachen und kritzelt dabei bis zum Morgen ein wirres Knäuelmuster aufs Display. Der wilden Zeichnung kurzer Sinn: Der Anker hatte gehalten – kein Kunststück bei so wenig Wind.

Morgenstund‘ hat Gold im Mund! Gleich nach dem Frühstück wollen wir einen Landausflug machen. Das reizvolle alte Bergdorf ober uns am Hügelscheitel auf 167 Meter Seehöhe lockt die Crew. Alex macht den Fährmann und bringt sie in zwei Fahrten mit dem Dinghi fast trockenen Fußes an den nahen Strand. Dort bemühen wir uns um ein Taxi, welches der freundliche Wirt der schon geöffneten Strandbar schließlich für uns organisiert. Ein futuristisch gestylter weißer Hyundai space-age schafft die vielen reichlich engen Straßenkurven recht flott und oben angekommen liegt sie zum Durchwandern bereit, die romantische Ansiedlung mit Blick zum Golfo Stella auf der einen und hinunter nach Porto Azzurro auf der anderen Seite.

CAPOLIVERI war lange Zeit Heimat von fleißigen Bergleuten und hat noch etruskisch-römische Wurzeln. Die Einheimischen gelten als sehr freiheitsliebend und zeigten sich einst auch besonders widerspenstig gegen die Herrschaft Napoleons, was ihnen damals beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte. Heute hat das romantische Dorf die Freiheit an die über 1 Million Besucher jährlich empfangen zu dürfen. Zahlreiche Deutsche, Österreicher und Schweizer haben hier alte Häuser gekauft, diese fein herausgeputzt und stellen schon rund 10 Prozent der Bewohner.
Wir durchwandern schauend die am frühen Vormittag noch ruhigen Gassen mit ihren Lokalen und Geschäften bis hin zur großen Piazza Matteotti und verweilen kurz bei der Bronzeskulptur von Maria und Lorenzo, dem tragischen Paar, das unterhalb des Dorfes unweit unseres Ankerplatzes in der Cala Innamorata (Bucht der Verliebten) ihr junges Leben lassen mussten, wie eine Legende besagt. Als wir dann später, wieder zurück am Schiff, die Bucht mit dem so melodiösen Namen – Innamorata – durchfahren, denken wir noch einmal an die beiden Verliebten und auch an das traumhafte Dorf oben am Hügel über den Kap der Freiheit – Capoliveri.

Es ist bereits Mittwoch am Nachmittag und bis zum frühen Abend sollten sich alle YCBS-Schiffe wieder zusammenfinden. Teils segelnd, teils motorend umfahren wir nun die Halbinsel Calamita mit ihren teilweise noch gut sichtbaren Anlagen für den früheren Eisenabbau und die Verschiffung und biegen schließlich rechtzeitig zum vereinbarten Treffpunkt in den Golfo Longone ein.

PORTO AZZURRO liegt nun vor uns, der geschützte und smarte Ort im Osten von Elba, dessen Namen in etwa gleich alt wie meiner ist und früher Porto Longone hieß, wo gleich nebenan in der Festung für lange Zeit vergitterte Zimmer für Schwerverbrecher reserviert waren. Für uns ist auch schon ein Platz vorgesehen, aber im Hafen. So werden wir gleich eingewiesen und es dauert nicht lange, dann gibt es ein kurzes Skipper-Briefing für die morgen geplante gemeinsame Sternfahrt – aber dazu später. Zu Mittag gab’s heute nur einen schnellen Griechischen Salat, also nicht mehr lange herumtrödeln und hinein in die Stadt. Ein betörender Duft strömt am Kai entlang und durch die Gassen – überall blüht der Jasmin mit seinen zarten weißen Sternchen. Nach etwas Wanderung in der weiten Fußgängerzone finden wir – der Josef natürlich – den lauschigen Gastgarten des Cutty Sark, um dort von einem bärtigen Seemann ein vorzügliches Abendessen und süffigen Wein serviert zu bekommen. Ab und zu kommen recht gut bekannt Leute an uns vorbei, mit denen wir ein wenig quatschen, kein Wunder, sind doch gleich neun Crews von uns hier, um den Flair des Blauen Hafens zu genießen.

STERNFAHRT ist der Rahmen unter dem wir beim YCBS unsere Clubmeisterschaft austragen. Heute Donnerstag soll diese stattfinden und da wird es immer besonders spannend. Um 8 Uhr gibt es Frühstück, dann besprechen wir die Regattaregeln und die Aufgabenverteilung innerhalb unserer Crew. Anschließend bereiten wir das Schiff vor, ua. werden die Wassertanks entleert, die Sprayhood umgelegt und das Bimini-Top abgebaut. Wegen der bescheidenen Windverhältnisse erfahren wir bei der Skipperbesprechung, dass die geplante Strecke verkürzt wird und der Start bei der Insel Cerboli erfolgen soll. Ab dort muss Palmaiola nördlich gerundet werden und das Ziel wird dann vor Rio Marina sein. Um 10:45 laufen wir aus und besichtigen die Verhältnisse, speziell die bei den Bahnmarken. Unsere Crew ist erfahren und einsatzfreudig. Um 13 Uhr legen wir einen fulminanten und punktgenauen Start hin und ziehen den Mitbewerbern bei recht brauchbarem Amwindkurs bald davon.

Im Norden von Palmaiola vermerken wir die Zwischenzeit, fallen südlich drehend ab und lassen uns von immer noch 15 Knoten vorwärts schieben. Eigentlich sieht es so aus, dass wir den Sieg schon in der Tasche haben (laut Bild), aber plötzlich Flaute, totale Flaute! Wieder einmal zu wenig nach vorne geblickt. Die hinteren Yachten rücken mit Restwind näher, kommen heran, während wir verzweifelt nach einem Kräuselstreif rundherum Ausschau halten. Manche versuchen nun weiter außen ihr Glück, wir mehr in der Mitte und andere küstennäher. Zwei schaffen es mit einem Resthauch innen an uns vorbei zu schleichen und es bleibt gerade noch der dritte Platz für die spätere Siegerehrung.

MOLENFEST nennt sich die fröhliche Feier nach der Sternfahrt. Zurück in Porto Azzurro machen sich die Organisatoren gleich an die Arbeit: Getränke, Knabbergebäck, Pütz mit Seewasser, Nektar des Meeres, Urkunden für die Taufzeremonien etc. werden bereitgestellt. Bald schlüpfen die vorherigen Wettfahrt-Kontrahenten aus den einzelnen Niedergängen, einige hübsch oder eigenwillig gekleidet, und drängen sich fröhlich versammelt auf den engen Stegplätzen. Wein wird eingeschenkt, zugeprostet, gelacht, geblödelt oder auch schon neugierig gewartet, was nun auf manche zukommen könnte. Erst tritt der Organisator auf und übergibt einigen oftmaligen Cup-Teilnehmern nette Präsente. Dann erscheint Poseidon plötzlich im seidenen Hemd und ruft die Erstteilnehmer einzeln zu sich, um sie zu taufen. Dabei wird bei den Seefrauen etwas nachsichtig umgegangen, aber speziell bei Jungskippern die volle Feuchte des Meeres angewendet – siehe Folgebild.

Die Sonne steht schon recht tief und färbt den Azurhafen golden, dafür werden manch helle Shirts nun dunkelblau eingenässt. Zum Glück ist der Abend mild und die Flaschen noch nicht leer, um sich auch innerlich der Situation anpassen zu können.

Für die Nacht ist der Durchmarsch einer Front mit Regen und mehr Wind prognostiziert. Um 3 Uhr schaukeln die Yachten in Porto Azzurro etwas und es feuchtet draußen, während die Täuflinge in den schwülen Kabinen hoffentlich alle aufgetrocknet werden. Am Morgen ist der Spuk aber weitgehend vorbei. Beim Auslaufen um 10:30 steht anfangs zwar noch etwas Welle, aber es lässt sich bei rund 15 Knoten aus Nordost herrlich segeln.

Es ist Freitag und bis 16 Uhr sollten wir spätestens in der rund 20 Meilen entfernten Marina di Scarlino zurück sein, weil unsere Charterwoche ja dann schon wieder zu Ende geht. Wir sind fröhlich drauf, Frauen und Männer wechseln sich fallweise am Ruder ab, die Segel stehen herrlich an Steuerbord, Manöver sind zur Zeit nicht anstehend. Wir ziehen bei Amwindkurs 85 Grad Kompass mit 6 bis 7 Knoten Fahrt in einem langen Schlag in östliche Richtung. Das italienische Festland rückt näher. Kurz vor 13 Uhr befinden wir uns etwas südlich der Felsklippe Scoglio dello Sparviero, welche dem Landzipfel von Punta Ala vorgelagert ist. Es wird Zeit für eine Wende, wohl die letzte bei diesem Törn, um dann auf Backbordbug bis vor die Einfahrt in die Marina di Scarlino zu segeln. Zwölf Knoten Wind, kaum mehr Welle, der Seeraum frei, der Großbaum dicht, die Positionen an Leinen und Winschen besetzt, der Mann am Ruder dreht den Bug durch den Wind, die Steuerbord-Genuaschot wird losgeworfen und die backbordseitige dicht geholt. Zum Kurbeln an der Winsch kommt es nicht mehr.

MASTBRUCH – was zum Teufel ist da los? Wir trauen unseren Augen nicht! Der gesamte Riggaufbau, die Takelage, die Segel, die Wanten, eben der ganze Krempel hängt an Backbord am Schiff beziehungsweise liegt im Wasser. Der Mast reckt seinen Fuß in die Luft. Der Großbaum wurde vom festen Targabügel der Oceanis abgefangen und war zum Glück dadurch nicht ins Cockpit gekracht, wo sich die Crew beim Manöver aufgehalten hatte.

Niemand ist verletzt, das ist die erste positive Denke, dann wird die Situation gecheckt: die Umgebung ist frei, die Tiefe ausreichend bei 40 Meter, der Wind ablandig, der Bootsrumpf dicht. Während ich per Telefon den Stützpunkt in der Marina di Scarlino informiere, überlegt die Crew schon Sicherungsmaßnahmen. Wir sollten unter Maschine zurückkommen und wenn das nicht geht, die Küstenwache verständigen. Mit Festmachern und anderen Leinen werden Teile behelfsmäßig fixiert.

Noch bevor wir den Motor starten möchten, gibt’s ein neuerliches Problem: Rauch kommt aus der Steuerbord-Vorschiffskabine und es riecht stark nach verschmorenden Leitungen. Schnell werden die Batterie-Hauptschalter auf OFF gestellt – das wirkt. Nun geht ein Anruf zur Coast Guard, welche sich aber fein aus der Sache raushält und uns nur zwei Telefon-Kontakte von möglichen Abschleppern nennt. Bei der ersten Nummer hebt niemand ab, bei der zweiten schon, aber wir erfahren gleich, dass es mindesten 1 Stunde dauern würde, bis jemand kommen könne. Wegen unserer Bremsen im Wasser treiben wir nur wenig ab.

Bis der Retter mit einem gut motorisierten Schlauchboot erscheint und die havarierte Yacht an die Leine nimmt, bleibt Zeit für etwas Ursachenforschung und für einige dokumentierende Fotos. Richtig schlau werden wir fürs Erste nicht, stehen wir doch alle etwas abseits nach diesem völlig unvorbereiteten Vorfall und sind vor allem froh, dass niemanden von uns etwas passiert war.

HAPPY END!? Es ließe sich noch einiges erzählen, aber ich mach es kurz: Schlepp zur nahen Marina Punta Ala, kranen des kaputten Riggs, schupsen des antriebslosen Schiffes zu einem Liegeplatz, einpacken unserer sieben Sachen, Autotransfer der Crew zur Marina di Scarlino, Meldung beim Charterstützpunkt, Abschlussfeier der neun Crews unseres Clubs, Nächtigung meiner Crew im Hotel bzw. in einer bereits freien Kabine bei Freunden, Bus-Heimreise am nächsten Morgen. Und wenn du glaubst, dass das alles ist, dann täuscht du dich. Daheim geht der Zirkus und der Krampf erst richtig los: Verschuldensfrage, einbehaltene Kaution, Versicherungsmeldungen, Zuständigkeitsklärungen, Telefonate, Papierkram noch und nöcher. Dabei ist für uns doch alles so klar – kaum Wind, einfache Wende, da darf ein Mast nicht brechen, da darf kein Rigg ins Wasser klatschen. Der Trost? Wir hatten doch eine wirklich schöne Frühlingswoche an der Küste der Toskana und rund um Elba – bis auf … den fehlenden Sieg und das zusammengefallene Kartenhaus. Ein wenig erinnert mich das alles an meinen Vornamensvetter Anthony Quinn und seinen Sirtaki am Strand im Film Alexis Sorbas, als seine Seilbahn, sozusagen sein Lebenswerk, grandios zusammenkracht: C’est la vie – so ist das Leben eben – mein erster Mastbruch nach 130 Törns oder 30.000 Seemeilen!

PS – das „Sahne-Häubchen“ zum Schluss:
Es stellt sich heraus, dass diese unsere Oceanis 45 bereits im Herbst des Vorjahres schon einmal einen Mastbruch hatte und wir die erste Chartercrew waren, die mit dem reparierten Schiff und den neuen Segeln wieder unterwegs waren. Die äußerst schwierige Regelung des Mastbruches mit dem Vercharterer kommt dabei auch ans Licht. Na, lieber Leser, dann magst du mir gerne die Daumen halten.
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  Eingewebt by Ante im Juni 2025 !