Diesmal also unter französischer Flagge, aber mit portugiesischem Schiffsnamen: BOQUEIRAO – eine Dufour 460 Grand Large Baujahr 2018 mit englischem Zusatz „Liberty“ (also 46 Fuß = 13,5 Meter Länge bei 4,5 Meter Breite). Übernahme der Yacht in Italien, in Pozzuoli westlich von Neapel am Rande der Campi Flegrei, geordert via Trend Travel & Yachting im Tiroler Kirchbichl bei Dream Yacht Charter für einen oberösterreichischen Sechser – 4 Frauen und 2 Männer. Zeitraum Samstag 28. September 2019 für 1 Woche. Vorgabe: Oneway am italienischen Stiefel entlang des Ristes bis zur Zehe, bis Tropea – rund 200 Seemeilen – und Weitergabe der Yacht an die Folgecrew, an Freunde unseres Segelvereins, dem grenzübergreifenden Yachtclub Braunau-Simbach – auch Deutschland ist damit ein wenig im Boot.
Der Törn ist Teil einer 7-wöchigen Segelreise in fünf Crews mit dem Projekttitel „Rund Tyrrhenisches Meer“. Wir befüllen die dritte Woche mit unseren Erlebnissen. Wir, das sind – in Alpha-Vornamenfolge aufsteigend – Annemarie (Zahlmeisterin), Anton/ich (Skipper/Berichtsschreiber), Christian (Projekteur/Co-Skipper/Navigator), Elisabeth/meine Frau (Logbuchführerin), Franziska (Bordärztin), Lore (Kombüsenchefin). Die Aufgaben sind also grob verteilt , dazu gibt es 3 Wachen zu je 2 Personen durchlaufend mit Wechsel alle 3 Stunden (3-6-9-12-15-18-21-24 Uhr). Nachtfahrten sind nicht geplant. Wir wollen möglichst viel von der Küste sehen, vorerst ist der Weg unser Ziel, unsere Motivation. Der Bereich ab Agropoli stellt ein selten befahrenes Revier dar und niemand von uns ist je küstennahe dort unterwegs gewesen. Im oberen Teil schon, im Golf von Neapel, auch an der Costa amalfitana und unten bei den Äolischen Inseln bzw. der Straße von Messina und Sizilien, aber dazwischen ein weißer Fleck für uns sechs.
Zu fünft Fahrt mit VW-Bus nach München, Flug mit der Lufthansa nach Neapel, Schuttledienst zur Marina Pozzuoli. Samstag um 18 Uhr empfängt uns Christian beim Eingang (er ist Hauptorganisator des Projekts, war Skipper der ersten beiden Törnwochen und damit schon vor Ort). Nach einer maximalen Marinarundung mit dem Gepäck – die Boqueirao liegt gegenüber bei der Ausfahrt – betreten wir das geräumige Schiff mit schön gedecktem Tisch: Schinkenbrötchen, Obst, Bier, Wasser, Wein zum Empfang. Zudem hatte der Co-Skipper schon einen gewichtigen Teil der Getränkeversorgung für eine Woche gebunkert. Nach der Begrüßungsrunde beziehen wir die Kabinen, checken die Toiletten (quattro mit E-Antrieb, aber nicht von Audi) und wandern anschließend, vorbei an der heutigen Markthalle und dem antiken Marcellum, in die Stadt – für ein prima italienisches Abendessen.
Die erste Nacht am Schiff ist innen dampfig warm und außen regennass, aber der junge Sonntagmorgen zeigt sich schon strahlend schön für das Frühstück und die nachfolgenden Aktivitäten. Während Lore, die gut Volkshochschulitalienisch spricht, mit Tochter Franziska die restlichen Einkäufe erledigt, erklärt Christian recht deutsch das Schiff mit allen seinen Besonderheiten. Später gibt es noch eine Einweisung für die gesamte Crew und um 10 Uhr legen wir ab.
Für den ersten Fahrtag haben wir uns keine große Strecke vorgenommen, nach Plan nur 17 Meilen zum Einschaukeln, quer über den Golf von Neapel nach Sorrento. Motorfahrt, kaum Wind, wenig Welle, milde Temperaturen, warmes Wasser, genügend Zeit: Navigator Christian schlägt einen Bade- und Mittagsstopp bei der Insel Procida vor. Noch in der Bucht von Pozzuoli legt Elisabeth das Ruder um, näher hin zum Capo Miseno und um 11 Uhr fällt der Anker vor dem wunderbaren Corricella. Das Wasser fühlt sich traumhaft an, kein Schock beim ersten Eintauchen, kein Dreck im glasklaren Nass, nur die Wellen des sonntäglichen Bootsverkehrs drüben den Genuss ein wenig. Schwimmen, erstes Bordmenü mit Rotwein, schauen, träumen (vor ein paar Jahren waren wir schon hier vor Corricella und das Schiff, das nannte sich damals Chiaiolella – wie der kleine Hafen etwas weiter südwestlich auf Procida). Hier aber ein Blick auf’s farbenfrohe Corricella:
Um es gleich vorweg zu nehmen: Unser Törn fällt in eine Schönwetterwoche, kaum Wind, warme, fast sommerliche Bedingungen, oft suchen wir den Schatten unter dem Bimini oder an Land unter Bäumen oder Sonnenschirmen, an und in Häusern. Nur für ein paar Meilen reicht die Brise zum alleinigen Vortrieb unter Segeln, meist ist das Groß nur zur Unterstützung des Motors oder zur Stabilisierung der Schiffsbewegungen aufgezogen. Die 70PS-Maschine arbeitet aber ruhig und effizient. Bei 1800 Touren laufen wir meist über 7 Knoten und der Verbrauch ist mit 3,77 Liter Schnitt pro Stunde für eine Yacht dieser Größe sparsam*), wenngleich die hohen Dieselkosten in Italien (in der Marina Tropea) zuletzt Annemaries Bordkasse doch spürbar erleichtern: 30,5 Motorstunden / 115 Liter Diesel / Preis 1,759 = total Euro 202. Die Vorteile der guten Fahreigenschaften ohne Zickzack beim Kreuzen sind willkommener Zeitgewinn für oft landnähere Kurse mit mehr Detailsicht, für längere Badestopps oder frühere Ankünfte mit mehr Raum für Besichtigungen und Einkehr.
*) Nicht vergleichen sollte man unseren Schiffsdieselverbrauch aber mit dem eines 70PS-PKWs – ich tu’s trotzdem:
199 Totalmeilen abzüglich 5 Segelmeilen sind 194 Motormeilen, das sind 360 km > 115 Liter Diesel durch 3,60 ergibt 32 Liter Diesel pro 100 Kilometer (soviel punkto Energieeffizienz als Beitrag zum Thema Klimawandel – ja, da schauen wir aber!).
Kurz vor 15 Uhr gehen wir in Sorrento in der Marina Piccola an einen vorreservierten Platz am Schwimmsteg. Bald darauf visitieren wir die Stadt an der Felsenkante – nicht mit Motorrädern, sondern zu Fuß. Erst am Aufzug etwas anstellen, es ist Sonntagnachmittag und da tut sich was: viele Einheimische, zumindest Italiener und noch mehr ausländische Touristen, so wie wir, sind unterwegs. Den berühmten einstigen Besuchern und Bewohnern des beliebten Küstenortes begegnen wir nicht mehr, wir sind zu spät dran: Richard Wagner, Friedrich Nietzsche, Alexander Dumas, Henrik Ibsen, Oscar Wilde, Giuseppe Verdi, Edvard Grieg uvm.! Zumindest den herausragenden Sohn der Stadt, den Renaissancedichter Torquato Tasso und den heiligen Antonio, meinen sorrentinischen Namensvetter, beide in Stein gemeißelt, können wir bewundern – auch das Kloster San Francesco mit seinem Kreuzgang und den ausgestellten Intarsien-Gemälden und einiges mehr. Für uns Österreicher stehen aber heute in den Gesprächen die Informationen aus der Heimat ganz oben: die Nationalratswahlen und ihre Überraschungen prägen den Tagesausklang.
Es ist Montag. Trotz üppigem Abendessen, ua. Saltimbocca, mit regional verpflichtendem Zitronensorbet zum Abschluss oben in der Stadt und dem nicht ganz trockenen Nachsitzen am Schiff schmeckt uns Lores Frühstück schon wieder – Frischluft macht hungrig. Mit Euro 150 gibt sich der Hafenkassier zufrieden. Gut dass wir früher schon gegenüber auf Capri in der Marina Grande zu Gast waren, so sind wir schon vorgeschockt. Kurz nach acht legen wir ab. Christian bereitet vor, Lore steuert aus dem Hafen, macht einer Fähre kurz Platz, weicht einem Ausflugsboot aus, auch den Landungsbooten eines Kreuzfahrers, umkurvt einen prächtigen Fünfmaster vor Anker, im Hintergund steht auch noch der Vesuv im Weg, aber den lässt sie doch an Steuerbord liegen – viel los hier vor Sorrento. Das Groß geht hoch und unterstützt die Motorfahrt, schon wechselt die Wache auf Annemarie und Franziska, gleich kratzen wir die Kurve an der Punta Campanella und verlassen somit durch die Bocca piccola den Golf von Neapel.
Capris unvergleichliche Felsengruppe, die Faraglioni, kommen im Westen hervor, im Osten tut sich die Costa amalfitana auf, der Sonne entgegen. Positano, die Galli-Inseln mit den Sirenen, Amafli, Ravello und auch Salerno lassen wir links liegen, 113 Grad und damit liegt Agropoli direkt an, also ein wehmütiger Abstand von der uns von ein paar früheren Besuchen bekannten Traumküste, dem Land wo die Zitronen blühen, quer über den Golfo di Salerno – total rund 40 Seemeilen für den Tag. Einmal testen wir für kurze Zeit bei etwas raumen Winden die motorlose Fahrt, setzen unsere schwergängige Selbstwendefock, schaffen 5,5 Knoten genau zur Mittagszeit – Silentium pur, dazu köstlichen Thunfisch-Nudelsalat samt Vino bianco im Cockpit und Christians Spezial-Cappuccini bzw. -Espresso, dann geht der Wind für lange Zeit wieder schlafen. Maschine an – sieben Meilen jede Stund‘ über blauem Stiefelgrund.
Vor 15 Uhr rasselt der Anker seitlich von Agropoli in den Sand – Badepause in türkiser Wasserwelt. Danach steuern wir für einen Abend, eine Nacht und einen Morgen den quirligen, aber touristenärmeren Ort an. Gleich den Liegeplatz bezahlen – diesmal moderatere Euro 60 – erst etwas Einkauf und dann hinauf in die alte Oberstadt, hinauf zur Burg – drei Sportliche zu Fuß die Direttissima, 3 Lahme mit dem Taxi enggassig hinten herum (die Zuteilung wird nicht verraten). Die schon von den Griechen gegründete Siedlung hat bewegte Zeiten hinter sich, ein Burgbesuch gewährt dazu Einblicke und vor allen phantastische Ausblicke aufs Meer und hinüber ins fruchtbare Mündungsgebiet des Sele. Das schon früher besuchte antike Paestum mit den mächtigen Tempelanlagen können wir aber nicht erspähen. Was wir aber finden, das ist für heute Abend eine Terrasse mit Pizzaria – und mit einem Sonnenuntergang wie er im Buche steht, wahrscheinlich der 30. in diesem September oder gar der 273. in diesem Jahr. Den späteren Abstieg zur nächtlichen Unterstadt machen wir gemeinsam zu Fuß.
1. Oktober, wolkenlos, windstill, frühmorgens 7 Uhr, Abfahrt in Agropoli. Die Sonne geht auf. Heute stehen etwa 60 Meilen am Plan, 60 Meilen spannende Cilento-Küste. Der Cilento ist die wildromantische Gegend südlich von Salerno bis nach Sapri im Scheitel der großen Bucht von Policastro, damit das südöstliche Ende der Region Kampanien. Dort folgt die kurze tyrrhenische Küste der Basilicata mit der Costa di Maratea, unserem heutigen Tagesziel. Ich will hier nur ein paar Stellen aufzählen, welche wir schauend an uns vorbeiziehen lassen: Santa Maria und San Marco bei Castellabate, dann umschiffen wir die Punta Licosa, San Mauro Cilento am weithin sichtbaren Monte della Stella, die Alento-Mündung und das antike Elea beim heutigen Velia, Marina di Pisciotta und schließlich das Capo Palinuro, im Epos von Vergil benannt nach Aeneas‘ Steuermann, welcher hier im Schlaf über Bord ging und umkam.
Bei der kleinen Insel hinter dem Cup biegen wir ein, pausieren zu Mittag für zwei Stunden in besonderer Idylle und fallen wie Palinuros einst ins Blau, ohne aber abzusaufen. Nach Anker auf passieren wir bald die Marina di Camerota und die Punta degli Infreschi, um in den nächsten Golfo einzulaufen. Durch küstennahe Fischgründe schleichen wir bei reduzierter Fahrt an Scario vorbei und bis zum der Bucht den Namen gebenden Ort Policastro vor. Schicke Dörfer an den Küsten und Hängen sind unsere Begleiter. Aber nun können wir in der Ferne hoch oben bereits die Christusstatue über Maratea erahnen und halten direkt darauf zu. Arreviderci Kampanien!
Kurz nach 17 Uhr biegen wir in die Marina in Maratea ein, über uns im hellen Sonnenlicht die imposante Christus-Statue. Eigentlich ist eine Auffahrt zu ihr erst am nächsten Morgen geplant, aber es müsste sich für einen sicher ergreifenden Sonnenuntergang dort oben auch heute noch ausgehen. Der Marinero am Steg nimmt 60 Euro für die Nacht und Christian, unser Mann für’s Italienische, erfährt eine Telefonnummer für ein Taxi. Für „sei persone“ bestellt er klar und deutlich. Es dauert ziemlich (offenbar ist das Transportunternehmen ein gutes Stück entfernt angesiedelt) – endlich, aber ein normaler 5-Sitzer. Die resolute Fahrerin ist fuchsteufelswild (wir auch), pfeift ihre Dienststelle zusammen und bestellt einen zweiten Wagen, derweil unsere 4 Frauen ins Auto klettern. Zwanzig Minuten dauert die Fahrt hinauf über ausgesetzte Serpentinen und überhängenden Brückenkonstruktionen. Christian und ich warten auf das nächste Taxi und es kummt net, kummt net. Die Sonne steht schon im Hafen tief, es ist zu spät für die Auffahrt – und wieder ist etwas später eine Taxlerin ziemlich ungehalten, weil wir nicht mehr einsteigen. So müssen sich die Herren der Schöpfung den prächtigen Sonnenuntergang und die eindrucksvolle Anlage oben am Berg mit der mächtigen weißen Betonfigur, die übrigens ins Land hinein und nicht auf’s Meer hinaus blickt, beim Abendessen schildern lassen. Ein wenig liegt uns die vereitelte Bergtour im Magen – und die zu fett ausgefallene Pasta di Maratea vom Ristorante auch (gut dass es in der Schiffsbar was Heimisches dagegen gibt). Früher, ja früher, da wär mir das nicht passiert, da hatte ich noch Luft genug für einen flotten Aufstieg zu Fuß – immer mussten es die Höhen sein, der große Überblick.
Heute ist unser Tagespensum überschaubar – nur 32 Meilen küstennah bis Cetraro. Genügend Zeit zum Ausschlafen, für’s Frühstück, zum Einkaufen bei Tante Emma, sprich Mini Market. Elisabeth schreibt den Mittwoch ins Logbuch und der Wacheplan teilt sie auch gleich zum Ablegen ein: es ist 10 Uhr. Ein Blick zurück auf Maratea – Wolken hängen diesen Vormittag über den Bergen, aber sonst ist alles wie an den Vortagen: Äolus lässt sich wiederum nicht blicken – Motorfahrt bei faszinierender Küstenkulisse zum Schauen und Staunen. Dörfer kleben an den Hängen und Kuppen, alte Sarazenentürme säumen die Landvorsprünge, mächtige Hügel wechseln mit tiefen Tälern und geben den Blick auf die Hinterland-Berge des Apennin frei. Wenn jemand von den werten Lesern glaubt, dass wir hier auf den Verkehr achten müssten, dann irrt er sich. Sogar die lokalen Fischer scheinen sich verkrochen zu haben, Segler sowieso keine weit und breit, auch keine Fracht- oder Fährschiffe – null, und Wasser so klar wie Kristall. Plastikmüll? Fehlanzeige! Zwischendurch verrät uns das Internet die große Trauer im heimatlichen Nachbarland: Karel Gott ist verstorben! „Einmal um die ganze Welt, und die Taschen voller Geld, davon hab ich schon als kleiner Bub geträumt!“ – Ersteres ist mir nie gelungen, weil mir Zweiteres fehlt, aber den Stiefel entlang ist ja auch nicht schlecht! Leb wohl, Idol einer schwindenden Generation und Musik-Nationalheld der Tschechen. Um 12:30 legen wir den Anker auf den Grund vor Cirella (eingraben ist nicht erforderlich). Eine handvoll Badegäste verlieren sich im weiten Buchtenrund am Sandstrand. Hier tritt dir niemand auf dein Badetuch. Ein paar suppentellergroße Quallen lassen sich im Aquamarin des Meeres treiben, wir auch – Siesta, erstmals in Kalabrien! Lore und Franziska zaubern Melone mit Schicken und Salato di Caprese auf den Tisch und Christian einen lokalen Rose.
Später, um 14:45 treibt das bildschöne Diamante querab an uns vorbei und um 16:30 hält uns die Mooring in der Marina Cetraro bereits fest – Annemaries Anlegemanöver klappt im ersten Anlauf bestens, kein Wunder, hat sie doch auch, so wie die beiden Großmütter an Bord ebenfalls, den Skipperschein in der Tasche. Dem Göttergatten wird das crachlose Einparken sofort nach Hause gemeldet, der es mit einem lapidaren „Jo, wei i net dabei woar!“ quittiert.
Für die ausgestorbene Stille hier dürfen wir dem Hafenhüter 50 Euro in die Hand drücken, aber erst nach langwieriger Prozedur am PC. Eine weitere Person tritt in Erscheinung, ein alter, zahnloser Mann – und wir machen mit ihm einen Deal. Er bringt uns mit seiner durchgesessenen Karosse auf 3 Sitzreihen in den gut entfernten Ort zu einem ausgezeichnet sortierten Supermarkt – schlafende Polizisten und ermüdete Stoßdämpfer malträtieren dabei unsere Wirbelsäulen kräftig. Unsere Versorgung ist damit doppelt gesichert, denn der Preis für den Transport ist eine Einkehr im Lokal des Alten gleich neben der Marina. Die Ortsbesichtigung fällt also aus, dafür kredenzt uns der tüchtige Cetrarer mit seinem herbeigeholten Sohn ein vorzügliches Abendessen im ansonsten völlig leeren Restaurant, genauer Ristorante Gambero Rosso (welches übrigens bereits Jürgen Preusser im hochinteressanten Fahrbericht „Türme in der Brandung“ in der Yachtrevue 1/2018 lobend erwähnte).
Donnerstag ist unser letzter Streckenpolzertag. Nach Plan wollen wir um 06:15 Tagwache machen und um 7 Uhr starten. Bei landnaher Routenwahl haben wir noch gute 60 Meilen bis Tropea zu absolvieren. Die Wetterprognosen sind nicht gerade berauschend, neben der Dunkelheit in der Nacht ist am Tag mit Helligkeit bei Regen und Gegenwind zu rechnen. Um vier herum zerrt die Boqueirao kräftig an den Leinen und Unmengen Wasser prasseln auf das Schiff, zur Weckzeit noch immer. Ich verschiebe einmal um eine halbe Stunde und oh Wunder, es beruhigt sich. Um 07:30 tasten wir uns über die seichte Passage aus der Marina und fahren uns frei, bleiben dabei völlig trocken – und das den ganzen Tag (weil auch der Badestopp heute ausfällt) – wieder unter Motor mit Stützgroß bei etwas Wind gegenan, kräftiger Dünung und teilweiser Bewölkung. Bis Amantea bleiben wir eher küstenverliebt, danach stechen wir sozusagen wirklich in See, streckenverkürzend quer über den Golfo di Sant‘ Eufemia (übrigens die selbe Heilige, die auch am Kirchturm von Rovinj steht, wie Franziska im Internet recherchiert).
Noch vor einer etwas späteren Mittagszeit bei reduzierter Fahrt entdecken wir den Stromboli in seitlicher Ferne, von einer ordentlichen Wolkenformation überhöht, dann auch seinen vulkanischen Rauch in regelmäßigen Abständen beobachtend. Junge Delphine begleiten uns ein Stück und springen vergnügt zur Gänze aus dem Wasser. Zu schnell verschwinden sie wieder, aber dafür tauchen weit voraus die Umrisse Siziliens und vor allem der Kegel des Ätnas auf. Ja und etwas näher schon, bald greifbar, um 15:45 konkret, liegt Tropea hoch auf der Felsenkante und darunter der Porto turistico, die Marina, unser Ziel, direkt vor uns. Wir steuern die Tankstelle an (Infos dazu weiter oben) und danach bekommen wir den crewwechselgünstig gelegenen Platz Nr. 29 direkt vor dem Despar-Marinamarket zugewiesen – 54 Tagesmeilen mehr auf der Logge und 199 total. Hurra, wir sind da, alle sind gesund (abgesehen von ein paar kleineren Hautplessuren, die unsere junge Ärztin aber nicht wirklich forderten), auch das Schiff ist heil geblieben.
Tropea schockt uns beim späteren ersten Aufstieg über die steilen Stufen: viele der alten Häuser sind verfallen, da dreht’s dem Immobilienmakler den Magen um. Das soll die berühmte Stadt auf den Sandsteinfelsen sein? Wir hatten genau das falsche Eck erwischt. Weiter innen schaut’s schon anders aus. Grandios ist vor allem der Ausblick von mehreren Terrassen auf die Unterstadt, den Strand und das Meer. Ein kuschelig kleiner Platz gibt uns später Gelegenheit für ein Abendessen im Freien. Am Freitag besuchen wir die Stadt noch einmal.
Nun nehmen wir den Weg am Strand entlang, besichtigen erst die Kapelle Santa Maria dell‘ Isola am separat aufragenden Felsen und steigen später über die dort nahe Treppe zur Altstadt hoch. Und sie hat viel zu zeigen, diese doch einzigartige Ansiedlung an der Zehe des italienischen Stiefels. Beim gemeinsamen Mittagessen gibt’s Pasta mit roter Tropea-Zwiebel und wir sitzen recht passend neben einem Geschäft, wo es auch gleich die Samen für diese milde und süße Variante unserer Tränen treibenden Sorte gibt – Cipolla Tropea rossa lunga (sogar für Marmelade und Eis soll sie verwendet werden). Ab dem mittleren Nachmittag verbringen wir die Zeit mit Schiffsreinigung und -Übergabe, packen unsere sieben Sachen weitgehend ein, nützen die guten Sanitäranlagen der Marina, begleichen die Rechnung für 2 Tage Aufenthalt – total 95 Euro (hier gibt es auch entsprechend Gegenleistung dafür), gehen zu einem letzten Abendessen nahe der Marina und beschließen mit einem Reste vernichtenden Umtrunk auf der Boqueirao den Tag und die Segelwoche. Ein wenig lassen wir dabei den Törn revue passieren, besonders Elisabeth verarbeitet das Logbuch zu einem abgerundeten Rückblick !
Samstag 5. Oktober 2019: Tagwache, Minifrühstück, Gepäck aus dem Schiff, letzte Kontrolle, Schlüssel für die Nachfolge-Crew hinterlegen, eine letzte Aufnahme, Ciao Tropea.
Vor 8 Uhr steht der bestellte Transfer-Kleinbus (online via a2bwelt.de) bereit und der nette Italiener bringt uns für trinkgeldgerundete 130 Euro kritiklos zum gut 50 km entfernten Flughafen in Lamezia Terme. Dabei sehen wir uns von der Landseite noch ein wenig die Bucht der Heiligen Eufemia an, die wir per Schiff nicht mehr küstennah befahren hatten. Die folgenden Reise-Etappen sind lang in den Wartezeiten, aber letztlich doch problemlos: Alitalia-Flug nach Rom, 3 Stunden Aufenthalt, Weiterflug nach München, Franziskas Bus-Transfer nach Braunau. Um 20 Uhr bedanke ich mich herzlich bei meiner kompetenten Crew für die Teilnahme an unserem „Sieben-Meilen-Stiefel-Törn“ – der Hausschlüssel öffnet die Tür – wir sind gut zurück und um einen mit Erlebnissen bunt eingefärbten hochinteressanten neuen Küstenabschnitt reicher.
Mast- und Schotbruch
Skipper Antonio
Eingewebt by Ante