Zurückversetzt in das Zeitalter der Dampfschifffahrt

 

Es war im Juli dieses Jahres (2005), als ich bei einem Besuch am Waginger See diese Gefährt entdeckte. Zweifelsohne handelte es sich dabei um ein Schiff von ca. 6,5 m Länge, an dessen Bug der englische Name Whisper prangte das hier am Steg beim Waginger Segelclub vertäut lag. Doch was für ein Schiff war das, dessen Aufbauten von einer weißen Persenning nahezu vollständig verdeckt war. ImageNur aus der Mitte des ovalen Daches ragte ein kurzes Stück Rohr mit einer keglförmigen  Abdeckung heraus. Während wir noch rätselnd am Steg standen, erschien plötzlich ein älterer, weißhaariger Herr mit einer Sporttasche in der Hand. Er stieg auf das Vordeck und begann die schützende Persenning zu demontieren und gab somit den Blick auf das Innere des Bootes frei. So von seiner Hülle befreit, eröffnete sich uns ein wunderbarer Anblick.

In der Mitte stand ein riesiger Kessel mit allerlei Leitungen und Anzeigeinstrumenten und dahinterliegend offene Kurbeln und Wellen. Man fühlte sich unwillkürlich in eine andere Zeit zurück versetzt. Rundherum gibt es Sitzbänke aus edlem Holz samt ledernen Sitzkissen. Ein kleines Steurrad darf natürlich auch nicht fehlen.

           
Mit dem Bootshaken hob Max Standl, so der Name des Eigners, die kegelförmige Abdeckung vom Rohr, welches nun als Rauchfang erkennbar war. Ja, es handelt sich bei diesem Boot wirklich um ein Dampfschiff, wenn auch um eine Art Miniaturausgabe. Image
Aber wie kam dieses Ding an den Waginger See. Herbert Schuster, der erste Vorstand des Waginger Segelklubs und Regattasegler auf einer Tempest, hatte das Dampfboot und seinen Eigner bei einer Regatta am Mondsee kennengelernt, wo die Whisper sonst immer unterwegs ist. Da kam ihm die Idee das Boot samt Max zum Sommerfest des Segelklubs als Attraktion nach Waging zu holen. Und so lag sie nun hier.

Jetzt lüftete sich auch das Geheimnis der dunklen Sporttasche. In ihr verbarg sich das Holz zum Heizen des Dampfkessels. Bis der Kessel so richtig unter Dampf steht, dauert es ca. eine Stunde. Noch kurz ein Signal mit der Dampfpfeiffe gegeben, dann durften wir mit Herrn Standl und seiner Whisper eine Runde um den See drehen. Kaum zu glauben , welchen Schub die sechs Pferdestärken und der einen halben Meter lange Propeller entwickeln. Bis zur Abfahrt war Max jedoch nicht untätig. Ständig müssen der Dampfkessel  und alle Metallteile  gewartet werden. Putzlappen und Ölkanne gehören zur Standardausrüstung eines Dampfschiffers. Dieses ständige Warten erfordert schon einen enormen Enthusiasmus. Herr Standl war in früheren Jahren selbst ein begeisterter Segler auf dem Waginger See gewesen. Seine Liebe zu den Dampfschiffen erwarb er sich durch seinen Beruf, er betrieb jahrelang ein Modellbaugeschäft in Burghausen. Image
Seine Whisper erwarb er nach langen Verhandlungen von einem norwegischen Reeder, der es seierseits aus England gekauft hatte. Er brachte sie nach Deutschland, wo er sie liebevoll restaurierte.
Solch kleine Dampfschiffe wurden angeblich von der feinen englischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert für Vergnügungsfahrten auf Flüssen und Seen verwendet.
Nun fährt die Whisper meistens am Mondsee. Herr Standl ist sehr freundlich und nimmt auch gerne Gäste mit an Bord.

Helmut Zeilinger